Dienstag, 23. Januar 2018

"Mährchen aus der Gegenwart"



Die sieben „Mährchen“ entstanden zu einer Zeit, in der man in Deutschland sehr gut überlegen musste, was man sagte, schrieb und tat. Nach den Karlsbader Beschlüssen im September 1819 waren die deutschen Länder mit einem Netz von Spitzeln überzogen. Versammlungen und Publikationen wurden akribisch überwacht, Urheber unerwünschter Aktionen abgemahnt, mit Berufsverboten bestraft, ausgewiesen oder landeten im Gefängnis. Prominente Beispiele sind Professor Hoffmann von Fallersleben, der als fahrender Sänger von Land zu Land zog und sieben Professoren der Universität Göttingen, die ihren Job verloren, weil sie gegen eine Maßnahme des Königs von Hannover protestiert hatten. Ernst August hatte mal kurzerhand die Verfassung vom Tisch gefegt. Zu den „Göttinger Sieben“ gehörten die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Der Student Theodor Althaus lernte die drei Professoren einige Jahre später in Berlin kennen, wo die Grimms wieder arbeiten durften, weil der preußische König die Karlsbader Beschlüsse anders auslegte als Ernst August.
So war das in Deutschland, staatliche Willkür war an der Tagesordnung. Das bekamen auch Absolventen der Universitäten zu spüren. Als Teilnehmer von studentischen Veranstaltungen, in denen demokratische Strukturen gefordert wurden, hatte der junge Althaus nach erfolgreichem Studienabschluss im Jahre 1844 in Preußen keine Chance auf eine Anstellung. So kehrte er zurück in seine Studierstube im Detmolder Elternhaus, unternahm Wanderungen, schrieb Artikel für liberale Magazine und längere Schriften zu Themen aus Kirche und Gesellschaft, außerdem Gedichte und Geschichten.
Nachdem im Jahre 1846 die Publikation seines längeren Gedichts „Eine Rheinfahrt im August“ vom preußischen Oberzensurgericht verboten worden war, hatte Theodor Althaus ein Jahr später in Leipzig mehr Glück mit einer Sammlung seiner Erzählungen, allesamt Zeitbilder aus der Zeit des Vormärz, die den Widerspruch zwischen dem Hochmut der Herrschenden und der bitteren Not der Bevölkerung aufzeigten. Der sächsische Zensor ließ die als „Mährchen“ verpackte Systemkritik durchgehen und forderte lediglich Namensänderungen in der Satire auf König Ludwigs Affäre mit der spanischen Tänzerin. So wurde aus der Stadt München „Klostersingen“, dem bayrische König Ludwig I. „der alte Herr“ und Lola Montez „Carambola“. „Mährchen aus der Gegenwart“ erschienen im Jahre 1848 im Verlag von Wilhelm Jurany in Leipzig. 

Inhalt:
Die Herberge der Gerechtigkeit
Ein Idyll
Das alte Lied
Ein Freiheitstanz
Eine Nacht der Gegenwart
Aus der Einsamkeit
Zwei Freunde